Zusammen halten

Offene Beziehung

Jede zwischenmenschliche Beziehung hat ihre ganz eigenen Regeln, gut zu funktionieren. Den einen Freund ruft man niemals an, dem anderen schreibt man nicht und mit der dritten Person ist klar geregelt, dass man nicht dieselben Menschen anflirtet. 

Auch in Liebesbeziehungen gibt es Regeln und diese sind auch in jeder Liebesbeziehung anders. Manche der Regeln sind weitverbreitet und als gesellschaftlicher Standard angesehen. Sie dienen als grundlegender moralischer Kompass unserer Gesellschaft und werden uns bereits als Kinder und Jugendliche beigebracht. Neben Ehrlichkeit lautet eine dieser weitverbreiteten Regeln Treue. Hiermit ist meistens gemeint, dass die Beziehungspartner keine sexuellen Kontakte zu anderen Menschen pflegen und man sich somit sexuelle Exklusivität verspricht. Paare, die sich hierzu entscheiden, leben in einer sogenannten monogamen Beziehung. Die genaue Definition der beziehungsinternen Regeln ist trotzdem individuell und wird in der Anfangszeit einer Partnerschaft gemeinsam festgelegt. Auch im Laufe der Beziehung können sich diese Regeln ändern. In der einer Partnerschaft darf man beispielsweise niemandem des sexuell präferierten Geschlechtes Nachrichten schreiben, in der anderen Partnerschaft darf man mit anderen flirten und in der dritten Beziehung sind sogar Küsse erlaubt.  Die Grenzen zur offenen Beziehung sind fließend. 

Was ist überhaupt eine offene Beziehung?

Es gibt keine klare juristische Definition einer offenen Beziehung. Gemeinhin versteht man unter einer offenen Beziehung jedoch, dass die Partner weitere sexuelle Kontakte zu anderen Menschen haben und dieses grundlegend vom Partner oder der Partnerin akzeptiert wird. Liebesgefühle zu anderen sind jedoch nicht vorgesehen (im Gegensatz zur Polyamorie).

Der Treue-Begriff bezieht sich in einer offenen Beziehung nicht auf die Sexualität, sondern wird durch Werte wie Zusammenhalt, Loyalität, zueinander stehen, für einander einstehen und für einander da sein geprägt.

Auch hier bestimmt jedes Paar selbst, wie die Beziehungsregeln genau aussehen sollen. Soll der Partner oder die Partnerin wissen, wann man sich mit wem genau trifft? Erzählt man Details? Soll die Beziehung nur einseitig offen sein? Erteilt man nur die grundsätzliche Erlaubnis, möchte aber von der reellen Umsetzung nichts erfahren?  Gibt es Vetorechte? Die Möglichkeiten sind hier so individuell wie in jeder anderen Beziehung auch. 

 

Eine offene Beziehung bedeutet: 

viel Kommunikation, viel Vertrauen, wenig Egoismus.

Offen und ehrlich muss man seinem/r Partner/in die eigenen Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse anvertrauen können. Man muss sich trauen können und dürfen alles zu kommunizieren. Der Partner oder die Partnerin muss einem das gleiche Vertrauen entgegenbringen können. Beide müssen fähig sein, die Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse des anderen vorurteilsfrei zu respektieren und sich selbst und die Beziehung zu reflektieren.
Nur wenn beide gewillt sind, langfristig offen und ehrlich zu kommunizieren, immer wieder an der Beziehung zu arbeiten und damit das gegenseitige Vertrauen aufrechtzuerhalten, kann eine offene Beziehung dauerhaft gut gelingen. Sobald einer von beiden unehrlich wird oder die gemeinsamen Regeln bricht und der andere dies mitbekommt, schwindet das Vertrauen und damit die Basis der offenen Beziehung.  

Eine weitere Grundlage ist, dem anderen Freude und die Erfüllung seiner Wünsche gönnen zu können, selbst wenn dies bedeutet, dass ein anderer Mensch Grund für diese Freude ist. Egoismus und Egozentrik sind keine hilfreichen Eigenschaften und auch mit dem Bedürfnis den Partner gerne unter Kontrolle zu haben, wird man sich schwertun. Eine offene Beziehung bedeutet eben auch, den Partner oder die Partnerin nicht als Besitz anzusehen, sondern als freien Menschen mit freien Entscheidungen und dann darauf vertrauen zu können, dass dieser Mensch einen liebt und von sich aus freiwillig wieder zurückkommen wird. 

Pro und Contra

So eine offene Beziehung bringt natürlich ein paar Vorteile mit sich. Ein neuer sexueller Kontakt bringt wieder neue Erfahrungswerte und Ideen ins Leben, die auch positive Impulse für die eigene Partnerschaft geben können. Die Verantwortung für die sexuelle Erfüllung wird nicht mehr auf eine einzige Person übertragen. Wenn also einer nicht sexuell aktiv sein möchte oder kann, kann der andere seine sexuellen Bedürfnisse andernorts erfüllen. Ein neuer Kontakt sorgt für Nervenkitzel und Kribbeln im Bauch und die fröhliche Stimmung bringt man dann auch mit nach Hause. Wenn der neue Kontakt nicht so berauschend war, wird einem oft wieder bewusst, was man am eigenen Partner oder der Partnerin denn so toll findet. 

Leider verwechseln jedoch manche Menschen gerne die positiven Gefühle, die ein neuer Mensch auslöst, mit verliebt sein, denn beides ist ein Hormonrausch. Wenn man dann nicht cool abwarten kann, bis sich der Rausch gelegt hat, könnte es unangenehm werden. Ein neuer Mensch kann sich umgekehrt jedoch auch in dich verlieben und dich zur Auflösung deiner Beziehung drängen, um als Einzige/r an deiner Seite zu sein. (Das kann einem jedoch auch in der Arbeit oder in der Supermarktschlange passieren.). Der Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten und Schwangerschaften muss bedacht, im Vorfeld besprochen und eventuell organisiert werden. Und oft möchte man solche Kontakte vor dem persönlichen Umfeld geheim halten, was Arbeit und gegebenenfalls Geld kostet (Hotelkosten, Fahrten, Betreuung von Datingprofilen, usw.). 

Regelmäßig stellen sich jedoch vermeintliche Nachteile auch als Vorteile raus. Kommt etwa einer der Partner zu der Erkenntnis, der neue sexuelle Kontakt sei "viel besser im Bett", kann dies auch eine Chance für die Beziehung sein. Man kann sich genau anschauen, welche Bedürfnisse und Vorlieben bisher unerfüllt blieben und ob man dies gemeinsam ändern kann bzw. was man ändern muss, um sich wieder wohlzufühlen. Wird etwa einer der beiden trotz Absprache immer eifersüchtig, bietet sich hier die Chance darüber nachzudenken, wodurch das Misstrauen ausgelöst wird und wie man dies verbessern kann. 

Ist das was für mich? 

Eine offene Beziehung klingt für manche Menschen zunächst paradiesisch. Vor allem, wenn man schon sehr lange in einer monogamen Beziehung lebt, und gerne mal wieder etwas mehr Nervenkitzel erleben möchte. Aber auch Paare in offenen Beziehungen haben ihre Probleme, denn eine Beziehung besteht nicht nur aus Sexualität. Bevor man nun also seinem/r Partner/in erklärt, man möchte zukünftig eine offene Beziehung führen und allein mit dieser Frage den Partner oder die Partnerin schon verletzen könnte, sollte man sich zuerst überlegen, ob das wirklich die Lösung des Problems ist (vielleicht gibt es ja noch ganz andere Lösungen?) und ob man das wirklich selbst auch leben kann. 

Die folgenden Fragen können dir helfen, dir darüber bewusst zu werden: 

  • Werde ich eifersüchtig, wenn mein Partner/meiner Partnerin ohne mich ausgeht?
  • Wie fühlt sich der Gedanke an, nicht genau zu wissen, was der/die Partner/in gerade tut?
  • Wie fühlt sich der Gedanke an, dass der/die eigene Partner/in jemand anderen küsst?
  • Vertraue ich meinem Partner/ meiner Partnerin, dass sie/er mich liebt und wieder zurückkommt?
  • Halte ich meine/n Partner/in für eine freie eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen und Entscheidungen, die freiwillig seine Zeit mit mir verbringt, oder ist es MEIN/E Partner/in, die mir "gehört" und kein anderer "haben" soll? 
  • Was ist für mich Treue?  Wann fühle ich mich betrogen?
  • Kann ich mit meinem Partner oder meiner Partnerin einfühlsam, aber ehrlich, offen und direkt über meine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse reden und dabei ihre/seine akzeptieren?


Erst wenn du dir sicher bist, dass du damit gut zurechtkommen könntest, dass auch deine Liebste oder dein Liebster mit anderen Menschen sexuell aktiv wird, solltest du weiter darüber nachdenken, ob eine Öffnung der Beziehung dein Beziehungsproblem lösen kann. 

Wenn du dir nicht sicher bist, ob das wirklich ein Weg für dich sein könnte und nicht so recht weiterweißt, können wir uns deine Gedanken dazu gerne gemeinsam ansehen. 

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